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Rechtsmissbräuchliche Abmahnungen im Wettbewerbsrecht

Eine Abmahnung ist auf die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gerichtet und dient der schnellen und vergleichsweise günstigen Beilegung einer Streitigkeit, weil sich dadurch erheblich kostenintensivere Gerichtsverfahren vermeiden lassen.


Bei manchen Abmahnungen beschleicht den Empfänger allerdings schon nach kurzer Zeit das ungute Gefühl, dass es dem Absender gar nicht in erster Linie um die Abgabe einer Unterlassungserklärung geht, sondern vielmehr darum, dem Empfänger möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen.


Sofern eine Abmahnung, in der vermeintlich unlauteres Verhalten gerügt wird, rechtsmissbräuchlich ist, hat das zur Folge, dass dem Abmahnenden keinerlei Ansprüche mehr zustehen. Im Gegenteil: der Abgemahnte kann die Erstattung der eigenen Kosten verlangen, die ihm im Rahmen der Verteidigung gegen die Abmahnung entstanden sind (also unseres Honorars, sofern Sie uns beauftragen). Die Kostenerstattung ist dabei auf diejenigen Kosten begrenzt, die sich bei Heranziehung des Gegenstandswertes auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ergeben.

Wann ist eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich?

Eine Abmahnung ist im Zweifel rechtsmissbräuchlich gemäß § 8c Abs. 2 UWG, wenn


1. die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen,

2. ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt,

3. ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt,

4. offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden,

5. eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht,

6. mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden oder

7. wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden.


Dafür können beispielsweise folgende Indizien sprechen:

Koordiniertes Vorgehen einer Vielzahl von Unterlassungsgläubigern bei unlauterem Wettbewerb

Wenn eine Abmahnung nicht lediglich im Namen eines Mitbewerbers ausgesprochen wird, was nach Abgabe einer Unterlassungserklärung oder Erwirken eines Titels zum Entfall der Wiederholungsgefahr gegenüber dem gesamten Wettbewerb geführt hätte, sondern stattdessen ohne erkennbaren vernünftigen Grund sogleich im Namen von mehreren potentiellen Unterlassungsgläubigern mit entsprechender Kostenfolge zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert wird, ist bereits das ein sehr deutliches Indiz, das im Einzelfall schon ausreichen kann.

Übermäßiges Erhöhen der Kosten und Gebührenerzielungsinteresse bei Abmahnung wegen unlauteren Verhaltens

Wenn dann auch noch völlig überzogene Kosten erstattet werden sollen, ist der Fall recht schnell klar. Dafür kann sprechen:

Getrennte Kostennoten gegenüber den einzelnen Abgemahnten bei Wettbewerbsverstoß

Sofern getrennte Kostennoten an die einzelnen Abgemahnten ausgestellt werden, spricht das eine klare Sprache. Da Rechtsanwaltsgebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – also in der Höhe, in der sie erstattungsfähig sind – degressiv steigen, führt diese Vorgehensweise zu signifikant erhöhten Gebühren führt im Vergleich zur gebotenen Einfachverfolgung.

Inanspruchnahme des Geschäftsführers und weiterer Mitarbeiter bei UWG-Abmahnung

Neben der juristischen Person haftet möglicherweise noch der unmittelbar Handelnde und vielleicht noch der Geschäftsführer, aber sonst in der Regel niemand. Wir haben es schon erlebt, dass nicht nur die juristische Persoen selbst und ihr Geschäftsführer, sondern darüber hinaus noch mehrere Mitarbeiter unserer Auftraggeberin in Anspruch genommen wurden. Eine Haftung dieser weiteren Mitarbeiter kommt regelmäßig nicht in Betracht. Aber auch der Geschäftsführer haftet nach unserer Auffassung keineswegs reflexartig aufgrund seiner Geschäftsführerstellung.


Vielmehr ist es so, dass der Geschäftsführer für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft nur dann persönlich haftet, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen; allein die Organstellung und die allgemeine Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb begründen keine Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern (BGH, Urt. v. 18.06.2014, I ZR 242/12, NJW-RR 2014, 1382 – Geschäftsführerhaftung).

Völlig überhöhte Ansetzung des Gegenstandswerts bei wettbewerbsrechtlicher Abmahnung

Es ist ganz einfach: je höher der Gegenstandswert ausfällt, desto höher sind auch die dem abmahnenden Anwalt zu erstattenden Gebühren. Der Versuchung, unangemessen hohe Gegendstandswerte anzusetzen, können einige Rechtsanwälte offenbar nicht widerstehen.

Unangemessen überhöhte Vertragsstrafenklausel bei wettbewerbsrechtlicher Abmahnung

Von solchen Rechtsanwälten werden dann gerne auch noch vorformulierte Unterlassungserklärungen beigefügt, die völlig unangemessene Vertragsstrafen vorsehen, die im Fall der Zuwiderhandlung fällig werden. Auch das kann dafür sprechen, dass die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs aufgrund eines vermeintlichen Wettbewerbsverstoßes hier offensichtlich nicht das vorherrschende Motiv der Rechtsverfolgung ist, sondern dass es eigentlich darum geht, sich durch Vertragsstrafen eine Einnahmequelle zu erschließen, die dann möglicherweise zwischen Anwalt und Mandant aufgeteilt werden.

Eigene Suche nach Verstößen gegen wettbewerbsrechtlich relevante Vorschriften

Manche Rechtsanwälte suchen offenbar eigenständig nach abzumahnenden Sachverhalten und „Opfern“ – das Internet macht‘s möglich. Auch das ist ein deutliches Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung. Auch dies ist ein klares Indiz für missbräuchliches Vorgehen (vgl. BGH, Urt. v. 06.10.2011, I ZR 42/10 – Falsche Suchrubrik).

Freistellung der Gläubiger vom Kostenrisiko der Abmahnung bei unlauterem Wettbewerb

Sofern ein Anwalt seinen Mandanten im Rahmen einer Abmahnung keinerlei Kostenbelastung in Aussicht gestellt hat, ist auch das ein deutliches Indiz für die Rechtsmissbräuchlichkeit (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 04.07.2007, 6 W 66/07). Wenn „Kostennoten“ dann erst gar nicht an die Mandanten des abmahnenden Anwalts, sondern direkt an die Abgemahnten adressiert sind, ist auch das ein Indiz für Rechtsmissbräuchlichkeite (vgl. LG Braunschweig, Urt. v. 08.08.2007, 9 O 482/07).

So etwas gibt es nicht?

Doch, gibt es. Wir haben all das schon erlebt, und zwar in einem einzigen Fall. Was wir davon halten, ist ebenso schnell beantwortet: nichts! Dieser Fall dokumentiert nach unserer Auffassung einen besonders krassen Fall der Verfolgung sachfremder Motive im Rahmen einer Abmahnung. Der abmahnende Rechtsanwalt gibt in diesem Fall nach unserer Auffassung klar zu erkennen, dass es ihm in erster Linie darum geht, von unseren Mandanten Kostenerstattung in geradezu irrwitziger Höhe zu erlangen. Wir halten die ausgesprochene Abmahnung deshalb für rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8c Abs. 2 UWG.

Rechtsfolgen

Aus einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung ergeben sich die folgenden Konsequenzen:

Kein Unterlassungsanspruch des rechtsmissbräuchlich Abmahnenden

§ 8c Abs. 1 UWG sieht für den Fall einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung vor, dass der im Falle einer unlauteren Werbung eigentlich bestehende Unterlassungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann:


„Die Geltendmachung der Ansprüche aus § 8 Absatz 1 ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist.“

Keine Kostenerstattungsansprüche des rechtsmissbräuchlich Abmahnenden

Die Mandanten des rechtsmissbräuchlich Abmahnenden haben dann auch keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Rechtsverfolgungskosten, und zwar weder in der geltend gemachten Höhe noch in angemessener Höhe. Gemäß § 13 Abs. 3 UWG werden im Rahmen einer Abmahnung nämlich nur dann Kosten erstattet, soweit sie berechtigt ist:


„Soweit die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht, kann der Abmahnende vom Abgemahnten Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.“


Eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung kann aber nicht berechtigt sein.

Kostenerstattungsansprüche der Abgemahnten

Ganz anders sieht es hinsichtlich der Kosten aus, die dem oder den Abgemahnten durch die Verteidigung gegen die rechtsmissbräuchlich geltend gemachten Ansprüche entstanden sind. Üblicherweise werden außergerichtliche Rechtsverteidigungskosten in Wettbewerbsangelegenheiten nicht erstattet. Für rechtsmissbräuchliche Abmahnungen sieht § 8c Abs. 3 UWG vor, dass die Kosten der Verteidigung gegen eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung vom missbräuchlich Abmahnenden zu tragen sind. Diese Vorschrift lautet:


"Im Fall der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen kann der Anspruchsgegner vom Anspruchsteller Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen fordern. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt."


Die Mandanten des Abmahners haben demnach die durch unsere Beauftragung entstandenen Kosten zu tragen.

Was können wir für Sie tun?

Wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben, sollten Sie die beigefügte Unterlassungserklärung keinesfalls unterschreiben. Das gilt erst recht, wenn auch noch eines oder gar mehrere der oben genannten Indizien erfüllt sind. In jedem Fall ist es wichtig, schnell zu reagieren, wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben. Es drohen sonst eine Klage oder eine einsweilige Verfügung. Vielleicht ist Ihr Gegner uns sogar schon bekannt.


Wir prüfen für Sie gerne, ob die Ihnen vorliegende Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist, und verteidigen Sie gegen die Abmahnung, indem wir ungerechtfertigte und überzogene Forderungen abwehren.

Kontakt aufnehmen – wir beraten Sie gerne

Nehmen Sie noch heute unkompliziert per E-Mail oder Telefon Kontakt zu uns auf. Wir stehen für alle Fragen zu den Themen Wettbewerbsrecht und rechtsmissbräuchliche Abmahnung zur Verfügung und beraten Sie gerne.

Rechtsanwalt Andreas Erlenhardt, LL.M.

Fachwanwalt für gewerblichen Rechtsschutz



Wir sind bundesweit tätig. Unsere Düsseldorfer Kanzlei befindet sich im Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf, zu dem neben Düsseldorf selbst unter anderem die folgenden Städte gehören: Hilden, Langenfeld, Meerbusch, Neuss, Krefeld, Kaarst, Ratingen, Mönchengladbach, Viersen, Kempen, Wuppertal, Erkrath, Haan, Remscheid, Mettmann, Solingen, Velbert, Oberhausen, Duisburg, Mülheim, Dinslaken und Kleve – ein Büro unterhalten wir in diesen Städten nicht, sondern nur in Düsseldorf. Wir haben bereits Mandanten aus Berlin, Dortmund, Bremen, Köln, Dresden, Bochum, Bonn, Gelsenkirchen, Chemnitz, Kiel, Augsburg, Koblenz, Lübeck, Leverkusen, Oldenburg, Stuttgart, Osnabrück, Paderborn, Würzburg, Ulm, Offenbach, Bottrop, Hannover, Münster, Recklinghausen, Trier, Erlangen, Jena, Reutlingen, Nürnberg, Pforzheim, Göttingen, Heilbronn, Regensburg, Ingolstadt, Darmstadt, Heidelberg, Potsdam, Leipzig, Hamm, Kassel, Saarbrücken, Mainz, Freiburg, Aachen, Braunschweig, Wiesbaden, Karlsruhe, Mannheim, Bielefeld, Essen, Frankfurt und München beraten.